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Feine gitterartige Metallstruktur eines Gebäudes vor blaunem Himmel 6. Dezember 2016

Binnenmarktrelevanz – Vergaberecht durch die Hintertür?

Auch wenn eine Vergabestelle nicht ausdrücklich an das Vergaberecht gebunden ist, wie es gerade im Falle eines Stadtwerkes als eigenständige GmbH häufig vorkommt, bedeutet dies nicht, dass dem Vergaberecht keine Bedeutung zukommt. Fällt das konkrete Beschaffungsvorhaben unter die Binnenmarktrelevanz – wovon im Zweifelsfalle immer auszugehen ist – finden die vergaberechtlichen Grundsätze Anwendung.

So schreibt Herr Dr. Schneider von Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbH über die Vergabepflichten unterhalb der Schwellenwerte:

„Unterhalb der Schwellenwerte sind Stadtwerke nicht ausnahmslos von Vergaberecht befreit. So müssen Stadtwerke bei Aufträgen, die eine Binnenmarktrelevanz aufweisen, die europarechtlichen Prinzipien der Gebote der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung, Transparenz und der Herstellung eines angemessenen Grades von Öffentlichkeit beachten. Diese Prinzipien sind im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) niedergelegt. Indizien für eine Binnenmarktrelevanz sind unter anderem das Auftragsvolumen, der Leistungsort (also Grenznähe) sowie technische Merkmale. Nicht erforderlich ist, dass sich im Nachhinein tatsächlich Wirtschaftsteilnehmer aus anderen Mitgliedsstaaten um den Auftrag bewerben. Öffentliche Auftraggeber sind im Unterschwellenbereich verpflichtet, vor der Festlegung der Bedingungen der Bekanntmachung ein etwaiges grenzüberschreitendes Interesse an einem Auftrag zu prüfen. Diese Prüfung muss hinreichend dokumentiert werden, weil sie der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. “

Im allgemeinen geht man bei einem Auftragsvolumen von 10% des Schwellenwertes oder einer Entfernung von weniger als 200 km zur nächsten Binnenmarktgrenze davon aus, dass das Beschaffungsvorhaben eine Binnenmarktrelevanz aufweist.

Für die Beschaffungspraxis bedeutet dies, dass die Auftragsvergabe nicht nur national, sondern EU-weit bekannt gemacht werden muss. Die Bekanntmachung auf der Internetseite des Auftraggebers ist daher nicht ausreichend; selbst dann nicht, wenn die Vergabestelle noch nicht einmal dem nationalen Vergaberecht unterworfen ist. Wichtig ist auch die Einhaltung der Fristen, beispielsweise für die Angebotsabgabe vorzusehen.

Quelle: Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbH